Oft reicht ein Stichwort, und vor unserem inneren Auge erscheint ein kleines Mädchen mit roter Kappe oder ein Mädchen, das in der Asche sitzt, bevor es in den schönsten Kleidern seinen ganz großen Auftritt hat.
Wir sehen eine Königstochter, die ganze hundert Jahre verschläft, während eine andere gerade die goldene Kugel aus der Hand in den Brunnen rollt.
Der von allen unterschätzte Dummling wird zum weisen König, zwei Kinder stehen vor dem Hexenhäuschen, und eine kleine Königstochter sucht Schutz im Haus der sieben Zwerge.
Es sind die Zaubermärchen der Brüder Grimm. Sie sind Teil unseres kulturellen Erbes und auf der ganzen Welt bekannt. Viele Generationen haben sie gehört, gelesen und später ihren Kindern und Enkeln weitergegeben.
Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich das entscheidend geändert. Märchen wurden auf Schallplatten und andere Tonträger gebannt und im Hörfunk übertragen. Märchenfilme erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit und stehen medial fast uneingeschränkt zur Verfügung.
Mit den alten Märchen haben diese Neuverfilmungen oft nicht mehr viel zu tun. Merkmale und Bedeutungen werden vermischt und undeutlich gezeichnet. Die Handlungen werden mit Parodien aufgepeppt und sind oft nicht wieder zu erkennen.
Das Äußere, das Prächtige und Pompöse von Kostümen und Ausstattung rückt in den Fokus der Aufmerksamkeit. Damit wird übertüncht, was die erzählten Märchen einst ausmachten.
Ihre Botschaften und Weisheiten versinken im Gold und Glanz der Dekorationen oder in einem diffusen, moralischen Nebel.
Dafür bedienen sich die Filmemacher gerne vielfältiger Klischees, die Kritiker den Märchen an anderer Stelle lautstark ankreiden.
Verfilmte Märchen lassen fast durchweg außer Acht, was erzählte Märchen an Werte- und Sinn-Orientierungen zu bieten haben. Damit geht vieles von dem, was für junge Literatur- und Lebensanfänger als grundlegend bedeutsam eingeschätzt werden kann, verloren, das Tröstende und Mut machende, denn:
Märchen sind grundsätzlich
mutmachende Geschichten.
Märche